Selbstversorger im Karpatenbogen

27.01.2023 -- Posted by : Andreas

Lange war der Winter hier -deutlich- zu mild, doch nun ist es soweit. Wenn ich morgens aufstehe ist es draußen noch stockdunkel, beim morgedlichen Holzholen knirscht der Schnee unter meinen gefütterten Gartenlatschen. Ansonsten ist es absolut still, unten im Tal brennt ein einziges Licht, während die ersten Schornsteine anfangen kleine Rauchsäulen in die kalte Winterluft zu schicken. Auch wir machen mit, und im Haus ergibt sich eine würzige Melange des Duftes vom rauchigen Kamin und frischen Kaffee. Sobald Dhalia wach ist ändert sich die Atmosphäre, die morgendliche Ruhe wird abgelöst von kindlicher Euphorie, die sich schnell in unserem kleinen Blockhaus ausbreitet: Papi, Papi, es hat geschneit!

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eine späte Weihnachtsüberraschung: Schnee in den Karpaten!

Alltag als Selbstversorger

Auf dem Weg zum Schulbus werden wir seit neuestem begleitet von unserer treuen Katze Tuca; bis Dhalia abfährt weicht sie ihr nicht von der Seite. Ioana arbeitet seit einiger Zeit von Zuhause, Rumäniens Flächendeckendem 4G bzw. 5G Netz sei Dank. Während unserer Zeit in Sizilien war sie also quasi als Digital Nomad unterwegs. 

Für mich gibt es dieser Tage weniger draußen zu tun, ich nutze die Zeit für Fortbildungen, zum Lesen, Kochen und Holzhacken. Diese paar ruhigen Wochen tun tatsächlich gut, nach einer vollgepackten Saison ohne wirkliche Ruhepausen. Andererseits: so ganz zur Ruhe kommen kann man nicht als (möchtegern) Selbstversorger. Wenn es doch mal nicht ganz so kalt ist bin ich im (leider halboffenen und unbeheizten) Arbeitsschuppen und fertige ein paar neue Küchenbretter, und auch das Gewächshaus macht keine Winterpause.

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was für ein wundervoller Kontrast zur Weißen Schneewelt draußen

Tatsächlich ist das kleine Gewächshaus neben dem Kaminzimmer im Blockhaus einer meiner Lieblingsorte hier im Winter. Mir erscheint es immer noch wie ein Wunder, dass es tatsächlich Pflanzen gibt die hier den Temperaturen trotzen. Denn: es ist nicht beheizt, und wenn Nachts starke Minusgrade herrschen, wird es auch hier bitter kalt. Doch: Schwarzwurzel, Blumenkohl, Rote Beete, Brokkoli, Chinakohl und Salate. Bisher hat alles überlebt, und einige Pflanzen haben trotz der äußerst geringen Sonnenstunden sogar merkliche Wachstumsschübe verzeichnen können.

Grundbedürfnisse decken im Winter

Ein Dach über dem Kopf, warmes Kaminfeuer und etwas zu Essen. Was mehr braucht der Mensch um durch den Winter zu kommen? Theorethisch nicht viel, praktisch aber sind auch wir Kinder einer von der modernen Welt verwöhnten Gesellschaft. Zudem: von Zuhause am Laptop arbeiten ohne Strom, schwierig! Wir brauchen also eine stabile Energieversorgung, was an den kurzen Wintertagen mit unserem kleinen Solarmodul nicht einfach ist. Wenn dann auch noch der kleine Notstromgenerator ausfällt, wird es kritisch. 

Oder die Versorgung mit Brennholz. Unser Holzlager ist nur halbvoll dieses Jahr, aber nicht weil wir etwa faul waren. Unser sonst zum Transport genutztes ATV ist im Herbst trotz mehrfacher Reparaturversuche nicht wieder in Gang gesetzt werden können, sodass der Großteil des vorbereiteten Brennholzes im Tal blieb. Nun Fälle ich nach Bedarf Bäume in unseren Randzonen beim Haus, erfrieren werden wir nicht. Aber es gibt schöneres, als so erkältet draußen Holz zu beschaffen.

Dann die Versorgung mit Wasser. Wir haben eine eigene Quelle mit super leckerem Trinkwasser. Leider liegt sie jedoch unterhalb unseres Hauses, sodass wir es mit einer Pumpe heranschaffen müssen. Da diese mit Strom läuft, und unser Solarsystem nicht ausreicht im Winter, und der Generator zu schwach ist um sie zu betreiben, wird zur Zeit das kostbare Nass eben rationiert. Morgens und Abends sind wir im Sparmodus, ganz ohne Wasser. 

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traditionell eine essentielle Energiequelle für Menschen während der kalten Wintermonate: geräucherte Würste aus Hausschlachtung, konserviert in Schweinefett

Doch, wo Schatten ist, da ist auch Licht. Selbst im Winter ist das Essen hier unglaublich gesund und lecker. Dafür haben wir im Herbst vorgesorgt: Tomaten und Äpfel eingekocht, Säfte gepresst, Schnäpse gebrannt, Marmealden aus Holunder, Tomate, Aronia, Blaubeere usw. gemacht, Kartoffeln und Nüsse eingelagert - und Wintergemüse so gepflanzt, dass wir noch jetzt frische Karotten, Lauch und Zwiebeln haben, um unsere Gerichte anzureichern. Als Grundlage kommt allerdings oft, anders als in den übrigen 8 Monaten, Fleisch auf den Tisch.

Hierbei ist es uns wichtig, dass wir von Anfang bis Ende dabei sind, und wissen was wir Essen. Herkunft und Tierwohl sind hier nicht nur Verkaufsargument sondern Realität. Auch begleiten wir den Prozess, von Schlachtung bis Konservierung. Andreas suchte das Schwein aus, half beim Schlachten, dem Zerlegen, Wursten, Räuchern und Konservieren. Das Ergebnis ist hier, wie bei vielen Dingen die wir hier genießen, ein unglaublich hochwertiges Produkt, das wir guten Gewissens und bewusst genießen.

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unsere treue Katze Tuca begleitet Dhalia täglich zum Schulbus

Ein Zuckerschlecken ist der Alltag als Teil-Selbstversorger also wahrlich nicht. Besonders der Winter bringt eine gewisse Härte mit sich, die einen auf die Probe stellt.

Doch spätestens das gemeinsame Abendessen am kuscheligen Kaminfeuer, während in der eisigen stille der Nacht das Tal scheinbar langsam vom Schnee verschluckt wird, macht die teils grenzwertigen Stunden des Tages wieder wett... Bis sich der Alarm unseres Solarmoduls aktiviert, wir die Pumpe deaktivieren und der Generator stotternd den allabendlichen Notbetrieb einleitet.

Fazit: schön dass endlich richtig Winter ist, aber wir freuen uns auch schon ziemlich auf den Frühling :)

Abschließend noch ein Link zu Stadtwurzel, wo wir unseren ersten Beitrag zum Projekt in der Schweiz veröffentlichen durften: Stadtwurzel.ch

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